BEEF! "Craft Bier – Meisterstücke für Männer"
Heute geht es mal wieder um gedruckte “Kost” aus der Craft Bier Welt. Mit dem BEEF! Magazin ist seit 2009 das einzige mir bekannte Kochmagazin für Männer am deutschsprachigen Zeitschriften Markt. Dabei sagt der Volksmund doch eigentlich: “Männer kochen nicht – sie grillen”. Aber BEEF! ist alles andere als ein Grillmagazin und eigentlich auch sonst recht klischeebefreit. Insofern sei eines gleich vorweggenommen: Auch für Craft Bier interessierte Frauen ist dieses Buch sicher gut geeignet.
Size does matter
Schon auf den ersten Blick unterscheidet sich dieses Buch von dem was man in den letzten Monaten und Jahren in diesem Bereich im Handel gefunden hat. Etwas über 3 cm dick ist dieses Buch im Format von knapp 29 x 23 cm und mit einem hartem Einband ausgestattet. Alleine schon dieses Auftreten im Stile eines Bildbandes gibt einen ersten Vorgeschmack, was uns wohl im Inneren auf den immerhin 258 Seiten erwartet. Und schon gleich nach den Umschlagseiten gewinnt man den Eindruck: Ja, das könnte ein “Craft Bier Bildband” sein.
Wir wissen zu wenig
“Wer nichts weiß muss alles glauben” – um nochmal einen Spruch zu bemühen, ist der Grundtenor des Vorwortes des Chefredakteur des BEEF! Magazins, der das Anliegen dieses Buches kurz umreißt: Wissen vermitteln, um richtig genießen, verstehen und mitreden zu können. Und man möchte viele der Geschichten erzählen und Wissen nachholen, das man so lange vergessen hatte, als noch “Bier” als Bestellung ausreichte, die Temperatur kurz vor dem Gefrierpunkt lag und vor allem dem “Tankstellengetränk für wenige Cent aus der Dose” Image wenig entgegenzusetzen war. Die Frage nur: Passt das alles in ein Buch?
Inhaltscheck
Im Inhaltsverzeichnis dann die erste Überraschung. Dieses Bier will nicht nur etwas über die Geschichte des Bieres erzählen, es möchte auch die Bierstile erklären, den Stellenwert von Bier auf der Welt einordnen, in die Craft Bier Welt einführen, das Heimbrauen erklären, den richtigen Umgang mit Bier beim Einkaufen, Lagern und Verkosten vermitteln und natürlich – wie es sich für ein Kochmagazin gehört – auch noch etwas mit Bier kochen. Na, ob das nicht etwas viel für die knapp über 250 Seiten ist? Die Latte hat man sich jedenfalls selbst so hochgelegt.
Craft Bier in Bildern
Und wie schon beim Anblick des Buches vermutet, so sind Bilder schon ein essentieller Teil der “Sprache” in diesem Buch. Auch wenn das genante Wissen noch im Text vermittelt wird, so sprechen die Bilder ihre eigene begleitende und wirklich schöne und ästhetische Sprache. Mit konventionellen und teilweise auch unkonventionellen Fotomotivideen werden die Texte begleitet.
Besondere Erwähnung, weil wirklich außergewöhnlich wie gleichzeitig schön gelöst, sind die Geschmacks- und Aromaprofile der im Kapitel 3 vorgestellten Bierstile der Welt. Oder auch die bildliche Gegenüberstellung der Kleinbrauerei “Faust” mit dem Industriebiergiganten “Oettinger” in jeweils gleichen Motiven. Und um noch eine Weisheit zu bemühen: Hier sagen Bilder wirklich fast mehr als “1000 geschriebene Worte”. Emotionen werden so geweckt und vermitteln Craft Bier Einsteigern hier sicher auch den vielfach von Emotionen geprägten Zugang zu handgebrautem Bier. Für diesen Teil des Buches haben sich die Macher sicher ein großes Extralob verdient, das ist einfach nur sehr sehr schön geworden.
Im Rahmen der Möglichkeiten kommen auch alle Facetten der Craft Bier Welt zu Wort. Von deutschen Szene Granden wie Fritz Wülfing, dem Quereinsteiger und Einzelkämpfer bis hin zu Dr. Stefan Hanke, dem studierten Braumeister des – inzwischen nicht mehr ganz so umstrittenen – Bitburger “Craftwerks” auf der Seite der Brauer, aber unbekanntere Experten aus der Malz- und Hopfensektion wie Jörg Gewalt oder Dr. Florian Schüll. Sie alle – und noch viele Andere – tragen in eingestreuten Interviews oder Zitaten ihren praktischen Teil dazu bei das gewünschte Fachwissen zu vermitteln und diesem auch ein Gesicht zu geben. Etwas das ja in der Craft Bier Szene durchaus Kultur und Tradition hat.
Am Anfang war das Brot
Auch dieses Buch beginnt eigentlich bei der “Henne-Ei” Frage, was war zuerst da? Brot, Bier oder irgendwie doch Beides? Ein kurzer, keinesfalls langweiliger kulturhistorischer Abriss der Biergeschichte über das Mittelalter, bei dem auch das (bayerische) Reinheitsgebot zumindest zugeordnet wird. Eine ausführliche Auseinandersetzung hätte sicher auch den Rahmen gesprengt, wobei sicher zwei bis drei kritische Worte möglich gewesen wären.
Bierkultur in Deutschland und später, etwas weiter hinten im Buch, auch ausgewählten Ländern wie den USA, Italien, Großbritannien, Belgien oder auch Japan. Sicher ein schöner Einblick, der vielen Lesern das Thema Craft Bier als weltumspannendes Phänomen verdeutlicht. Gerade auch in Ländern, die ja entweder in der langläufigen Meinung nicht für gutes Bier bekannt sind, wie die USA, oder eher als Weinregionen in den Köpfen verankert sind, wie Italien.
Im Kapitel “Was wissen sie schon – Bier richtig schmecken” geht es neben Biersensorik auch um die richtige – oder überhaupt – Glaswahl. Schade, auch hier hätte man einige Aspekte deutlich intensiver behandeln können, Platz wäre gewesen, denn die zwei Doppelseiten mit den Biergläsern wären besser in den Text integriert und für etwas mehr Information zu den Gläsern genutzt worden. Ein Stout und IPA Glas im gleichen Absatz abzuhandeln, dafür die entbehrliche Detail Information in welchen 5 exakten Größen ein Willibecher am Markt ist, hmmm, na ja.
Und wenn man dann schon mit dem Thema Sensorik anfängt und so viel mit visuellen Mitteln arbeitet, dann gehört doch ein Aromarad schon fast zum guten Ton. Und gerade Anfänger sind für so etwas extremst dankbar, wie ich selbst bei meinen Tastings festgestellt habe. Aromaeindrücke können nicht zugeordnet werden – “Ich kenn´ den Geschmack – komm´ aber nicht drauf”, oder man ist sich schlicht unsicher die eigene Vermutung in der Gruppe laut zu äußern – “alte nasse Pferdedecke” klingt ja auch komisch. Hier noch ein paar Seiten mehr wären sicher gut investiert – letztlich aber ist das ein Jammern auf hohem Niveau.
Besser nicht
Ganz ehrlich aber, den Teil des “selber Bierbrauen” auf knapp 40 Seiten, davon viele ganzseitige Bilder oder Füllseiten wie “Brauer-Latein”, zu versuchen hätte man sich entweder sparen sollen, oder anders umsetzen können. Natürlich ist der Anspruch eines Kochmagazins hier auch eine Anleitung zum Selbermachen zu geben. Ehrlicherweise kann man aber weder das erforderliche Wissen noch die Basistechniken nicht auf so knappem Raum vermitteln, wenn das Ergebnis eines derartig gebrauten Bieres für alle Beteiligten etwas befriedigendes werden soll. Eine ganze Doppelseite für eine “Spindeltabelle” zu opfern, geht hier in einen Detaillierungsgrad, der zur weder zur Kürze dieses Kapitels passt, noch wirklich sinnvoll erscheint.
Dieses Kapitel genutzt, um in schönen Bildern zu zeigen, wie einfach Heimbrauen sein kann und vielleicht noch mehrere Möglichkeiten (Einkocher vs. Halbautomat) gegenübergestellt, und das Know-How oberflächlich gehalten. Das Kapitel hätte sicher gewonnen. Wirklich interessierten Lesern seien hier dann doch eher die Klassiker des Heimbrauens von Hagen Rudolph oder Hubert Hanghofer empfohlen. Bei diesen Werken landet man besser früher als später.
Kernkompetenz Kochen
Und dann kommt es ja noch: Das Rezept Kapitel in diesem Buch. Von Treberbrot über Stout Chili bis zum Bieramisu gibt es hier immerhin 13 verschiedene Anregungen für jede Geschmacksrichtung aus und mit Bier zu kochen. Die Rezeptideen sind mit wenigen Ausnahmen spannende und lecker aussehende Gerichte, die man nicht schon aus anderen “Bierkochbüchern” kennt. Ein klares Plus.
Auch hier schlagen die Bilder der Speisen auf 2/3 der Doppelseiten wesentlich zu Buche, das verbleibende Drittel ist dem eigentlichen Rezept vorbehalten. Auch dieses Kapitel könnte sicher ein paar mehr Seiten und Rezeptideen vertragen, die ich gerne im vorangegangenen Heimbraukapitel freimachen würde. Für ein Kochmagazin hält BEEF! sich hier enorm zurück.
Fazit
Dieses BEEF! Buch will nicht weniger als einen Rundumschlag in alle Wissensfacetten des Craft Bieres zu machen. Das dies nicht in allen Kapiteln gleich gut gelingt, das ist sicher sowohl erwartbar als auch verständlich. Insgesamt – und da kann man den Machern sicher gratulieren – ist das Thema in einem anderen Format und mit deutlich mehr Bildern, als das in vergleichbaren Werken der Fall ist, umgesetzt worden. Auch positiv ist sicher auf der Habenseite zu verbuchen, dass man hier tatsächlich eine Menge an Wissen vermittelt bekommt. Der Einsteiger wie der Fortgeschrittene wird hier gleichermaßen gut bedient.
Das in diesem Buch ein oder zwei kleine fachliche “Hoppala” passiert sind, das tut dem Gesamtwerk aber keinen wesentlichen Abbruch. Lediglich die “Urban Legend” vom verdünnten IPA schmerzt dann doch etwas.
Angenehm auch, dass das Buch komplett auf Wertungen verzichtet – hier kommen alle gleichermaßen zu Wort. Auch Markenfetischisten muss man – zum Glück – entäuschen. Wer das beste Craft Bier braut, oder welches Craft Bier man unbedingt mal probieren muss, wird glücklicherweise ausgelassen. Und eine Definition des “Craft Bier Begriffs” umschifft das BEEF! Buch sehr angenehm.
Dieses Buch kann man mit gutem Gewissen für alle empfehlen, die auf ästhetisch hochwertigstem Wege in die Welt des Craft Bieres einsteigen wollen, oder eine Geschenkidee für einen Bierfreak in der Familie oder Freundeskreis suchen. Es ist ein Buch geworden, dass man gerne liest und auch nach Wochen wieder gerne zur Hand nimmt, auch weil die Bebilderung wirklich ihres Gleichen sucht.
“BEEF! CRAFT BIER: Meistestücke für Männer” von Ralf Frenzel (Herausgeber)
Gebundene Ausgabe: 258 Seiten
Tre Torri Verlag, ISBN-10: 3944628675, ISBN-13: 978-3944628677
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